Königin oder Magd? 

    Zur Zukunft der Philosophie  
     

    von Walther Ch. Zimmerli  

    (Öffentliche Abschiedsvorlesung, gehalten am 25. Juli 1996 in Bamberg) 

     
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                           Prof. W. Ch. Zimmerli
    Wir sind ja alle so bescheiden geworden. Von den großen Systemen und Schulen haben wir bekanntlich schon seit der Mitte des letzten Jahrhunderts zugunsten der großen Einzeldenker Abschied genommen; heute scheinen wir uns nicht einmal das recht zu getrauen; auch die „Problemdenker", die die Systemdenker abgelöst haben, sind uns schon wieder zu groß. Gewiß, Schopenhauer, Kierkegaard und - vor allem - Nietzsche, das will man sich wohl gefallen lassen. Aber, bitte schön, in einem anderen Jahrhundert, wo sie eben hingehören und wo man sie belassen kann, wenn man sie genüßlich viviseziert (oder „de-konstruiert", je nach Gusto)! Schon Heidegger wirkt beinahe anstößig, so ungeniert nimmt er Größe in Anspruch. Wer heute groß, wer tief, wer originell ist, hat sich bereits desavouiert. Nachgedacht wird allenfalls noch über die Far-be der Karos im Design der Gegenwart; kleinkariert aber ist es allemal ...  

    Doch nicht nur die philosophischen Helden scheinen müde geworden zu sein: die Philosophie-Journaille ist es offenkundig auch. Alljährlich - sozusagen als Sommerlochfüller - berichten die Magazine von der Krise der Philosophie. War es noch vor einigen Jahren (rühmlicherweise sogar unter Bezug auf Bamberg) das Abdanken der Denker (1), das der SPIEGEL konstatierte und dem (rühmlicherweise ebenfalls mit Bezug auf Bamberg) der FOCUS widersprach (Wir danken nicht ab, wir mischen uns ein! (2)), so ist es in diesem Sommer immerhin nur noch die akademische Philosophie (und zwar - wenn auch indirekt - wieder mit Bezug auf Bamberg): Philosophie floriert wieder - jenseits der Universitäten allerdings, schlagzeilt der SPIEGEL unter dem Titel „Nachsommer des Denkens"(3). Ob da eventuell einer seinen Stifter falsch verstanden hat? Jostein Gaarder scheint das Maß aller Dinge zu sein, sozusagen „Philosophie nach dem Gaardermaß". Nicht nur Vittorio Hösle wird, wie der SPIEGEL weiß, einen Philosophischen Briefwechsel für Erwachsene und Kinder herausbringen, sondern Roland Simon-Schaefer hat schon, wie der SPIEGEL offenbar noch nicht weiß, seine Kleine Philosophie für Berenike (4) - studentengeldbeutelfähig - bei Reclam publiziert. Wird die große Philosophie immer kleiner, erwartet uns demnächst die Säuglingsphilosophie Marke „Deutsche Welle", sozusagen „Da-da-da"?   

    Daß Gaarders Sofies Welt (5) allein auf Deutsch „bislang über 1,7millionenmal verkauft, auf Kassette erhältlich und bald auch als Musical zu erleben" ist, kann jedoch schwerlich als Indiz für ein wiedererwachtes „Bedürfnis der Philosophie" (6) gelten, eher schon als eine Reaktion auf ein doppeltes Versagen: einerseits ein Versagen der allgemeinbildenden Schulen (deren Domäne Sofies Welt eigentlich wäre), andererseits auf ein Versagen der professionellen Philosophie - da muß dem SPIEGEL-Artikelschreiber des diesjährigen Philosophienachrufs in der Tat recht gegeben werden. Die akademische Philosophie hat die Zeichen der Zeit vielleicht in der Tat nicht richtig verstanden, oder „sie liest sie" - um eine alte Pointe der „Lach- und Schießgesellschaft" zu variieren - „von der Sanduhr ab". Jedenfalls rieselt es in ihr, und zwar nicht zu knapp ...  

    Nun soll es im folgenden weder um Zunftschelte (darin haben andere mehr Übung als ich) noch um Nestbeschmutzung gehen (das kann nur jemand, der ganz drin sitzt), sondern um eine Diagnose „sine ira", aber „cum studio", nicht im Gestus des zornigen jungen Wilden (der mir aus doppeltem Grunde nicht ansteht), aber in demjenigen des eifrigen Denkens, anders (und natürlich mit Hegel): in der „Anstrengung des Begriffs"(7). Dazu muß die „Frage nach der Philosophie"(8) wiederentdeckt werden. Nun weiß, wer sich ein wenig mit dem philosophischen Nachdenken über die Zeit befaßt hat, daß sich solche Fragen, genauer hinsichtlich ihrer temporalen Struktur betrachtet, nicht so sehr als substanzmetaphysische, sondern mehr als normative erweisen: ‘Was ist Philosophie?’ wird schon bald zur Frage ‘Was soll Philosophie?’, anders: zur Frage nach Rolle und Funktion der Philosophie, mithin zur Frage Wozu (noch) Philosophie? (9). Und diese wiederum kann ihren nicht kontrafaktischen Sinn nur gewinnen in der temporalen Wendung als Frage nach der „Zukunft der Philosophie". Daß die Philosophie eine Zukunft haben wird, darf als gesichert gelten. Das liegt nicht an äußeren Anlässen (die es, weiß Gott, auch gibt), sondern an der Selbstdefinition der Aufgabe der Philosophie: nicht nur, aber doch mindestens immer auch ihr eigener Doktor, Pfarrer und Totengräber ineins zu sein. Und es läßt sich nun einmal nicht bestreiten, daß Ärzte von der Krankheit, Pfarrer vom Leben und Sterben und Totengräber vom Gestorbensein anderer leben. So ist denn die Rede vom „Ende der Philosophie" (aus ähnlichen Gründen n.b. wie diejenige vom „Ende der Geschichte") ebenso wohlmeinend wie töricht. Die Philosophie, genauer: die philosophische Reflexion, die sich durch konstitutive Zweckfreiheit und Grenzüberschreitung auszeichnet, überlebt auch noch ihr Absterben, ja: sie lebt geradezu davon.  

    In fünf gedanklichen Rundgängen möchte ich zum Zwecke der Wiederentdeckung der Frage nach der Philosophie ein Bild variieren, nämlich dasjenige von der Königin und der Magd oder - less politically correct - dasjenige vom Herrn und Knecht. In einem ersten Schritt soll der Frage nach der philosophischen Bestimmung der Königin bzw. des Herrn (I), in einem zweiten Schritt derjenigen des Knechts bzw. der Magd nachgegangen werden (II). Dabei wird sich eine zweifache Bedeutung der „Magd"-Rolle zumindest assoziativ herausarbeiten lassen: Lange vor der Debatte um „ancilla theologiae" hallte die Geschichte der Philosophie bereits vom Gelächter der thrakischen Magd wider, mit dem/der sich mithin der dritte Teil befassen wird (III). Der vierte Schritt dient der Anknüpfung an die fast vergessene Bedeutung des Ausdrucks „Philo-sophie" und diskutiert mithin die Geliebte mit den vielen Gesichtern (IV), um einen Aufsatztitel von Norbert Hinske zu zitieren (10). Daraus läßt sich als Fazit ein Plädoyer für eine problemorientierte und lebensnahe eklektische Systemphilosophie ableiten (V), deren pragmatischer Vertreter vor nahezu dreihundert Jahren Gottfried Wilhelm Leibniz gewesen ist.   
    I.   
    „Philosophie gilt als die Königin der Wissenschaften, da sie auf die Voraussetzungen alles lebensweltlichen und wissenschaftlichen Wissens reflektiert" - so nachzulesen in der offiziösen Informationsbroschüre Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Universität in der Stadt: Von Archäologie bis Wirtschaftsinformatik. Zwar bürgt die Quelle für Qualität und Wahrheit, infolgedessen ist daran nicht zu zweifeln, aber ob es so erstrebenswert ist, Königin zu sein, daran mag man nach allem, was uns die Regenbogenpresse über Glanz und Elend eines Königinnendaseins berichtet, füglich zweifeln. Mit nichts als Ärger scheint heute der Versuch, eine anständige Königin zu sein, belohnt zu werden. Nicht so sehr die Untertanen sind es, die immer noch mit einer gewissen Sympathie, vielleicht sogar Verehrung, zu ihr aufblicken, sondern die eigenen Kinder ruinieren den guten Ruf. Und so scheint es sich auch mit der Philosophie zu verhalten: Wenn man von ihr denn als der ‘Königin der Wissenschaften’ sprechen kann, dann heute wohl doch nur noch in dem Sinne, daß immer wieder erstaunlich (und erfreulich) ist, mit welchem Respekt viele Wissenschaften sie betrachten. Ihre eigenen Kinder sind es, die Möchtegern-Philosophen und Prätendenten, die den Kredit, der der Philosophie eingeräumt wird, leichtfertig verspielen. Sei es nun dadurch, daß sie sich im archivalischen Staub des Quisquilien-Fressens verstecken, sei es, daß sie - um Lichtenberg zu zitieren - mit den Meinungen anderer Leute handeln (11), statt à la Kant den Mut zu haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen (12), sei es auch, daß sie in übler Scharlatanerie das metaphysische Bedürfnis der Menschen nach höherer Weihe und Tiefe durch ihren höheren Tiefsinn ausnutzen.   

    Und da gilt es dann, nochmals nachzufragen. Beim Ahnvater Platon konnten wir im Dialog Euthydemos nicht etwa hören, daß die Philosophie eine Königin sei, sondern eine „basilike techne" (13), eine königliche Kunst, anders: die Kunst der Könige. Und da ist man dann schnell mit der Assoziation zur Hand, die sich mit dem sog. „Philosophenkönigssatz" (14) von Platon verbindet: Philosophie sei eben die königliche Kunst, weil der Philosoph nach Platons Utopie König sein solle.   

    Doch bei beidem ist Vorsicht geboten: Weder nämlich führt die „königliche Kunst" des Euthydemos problemlos zur Wahrheit, geschweige denn zur Herrschaft über die anderen Wissenschaften, noch besagt der Philosophenkönigssatz, was er zu besagen scheint: a) Die „königliche" Kunst oder Technik des Euthydemos führt nämlich in die Auswegslosigkeit des Denkens, die Aporie: „Als wir an die königliche Kunst kamen und diese in Betrach-tung zogen, ob sie etwa die wäre, welche Glückseligkeit gewährt und bewirkt: so gerieten wir eben da erst in ein neues Labyrinth, und wo wir glaubten, am Ende zu sein, mußten wir wieder umwenden und befanden uns wie am Anfang der Untersuchung, indem uns noch immer ebenso viel fehlte, als da wir zuerst die Frage aufwarfen." (15) b) Und was den „Philosophenkönigssatz" angeht, ist er bei Platon eindeutig konditional, genauer: kontrafaktisch formuliert: „Wenn nicht, sprach ich, entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und gründlich philosophieren und also beides zusammenfällt, die Staatsgewalt und die Philosophie [...], eher gibt es keine Erholung von dem Übel für die Staaten, [...] und ich denke auch nicht für das menschliche Geschlecht ...." (16). Und man kann nur hinzufügen: Bislang ist jedenfalls - abgesehen von Platons gescheitertem eigenen Experiment auf Sizilien - die Probe aufs Exempel nie gemacht worden - zum Glück!  

    Was aber gilt es - dem Euthydemos zufolge - zu tun, wenn denn die „königliche Kunst" auch in die Aporie führt? Offenbar zweierlei: zum einen die Aporie als den Weg des Philosophierens erkennen, und zum anderen nicht den Philosophen nachlaufen, sondern selbst denken. Mit den Schlußworten Platons im Euthydemos: „Sondern die laß ganz beiseite, die sich der Philosophie befleißigen, ob sie gut sind oder schlecht, und nur die Sache selbst prüfe recht gut und gründlich; und erscheint sie dir als schlecht, so mahne jedermann davon ab, nicht nur deinen Söhnen, er-scheint sie dir aber so, wie sie auch mir vorkommt, so gehe ihr getrost nach und übe sie, du selbst, wie man zu sagen pflegt, und deine Kinder." (17)  

    Was also lehrt das Nachdenken über die Philosophie als „Königin der Wissenschaften"? Sie lehrt, daß es keinen Königsweg zur Philosophie gibt, selbst wenn diese eine königliche Kunst oder gar die Königin der Wissenschaften sein sollte. Das Königliche daran liegt vielmehr in der Anerkennung der Aporie und damit in der Aufforderung zum Selbstdenken.   

    Aber habe ich nicht - so setzt mir nun die Stimme philosophischer Reflexion zu - eben das nicht getan, sondern einem Philosophen geglaubt, wenn auch einem so gewichtigen wie Platon? Die Antwort ist eindeutig: Ja. Ich habe mich durch einen Philosophierenden, nämlich Platon, dazu auffordern lassen, nicht den Aufforderungen anderer Philosophen zu folgen, sondern alles selbst zu prüfen. Das aber sieht nur scheinbar wie ein Widerspruch aus, da sowohl meine Maxime wie auch das Verfahren selbst eine Bezugnahme auf schon gedachte Gedanken voraussetzt: Prüfen läßt sich nur, was bereits existiert. Selbstdenken heißt immer, Ansichten zu prüfen. Es ist nur eine Frage der Bildung, ob man diese Auffassungen für seine eigenen hält oder weiß, von wem sie geäußert wurden. Es ist daher für den Gebildeten unter den Verächtern sekundären Philosophierens auch gar nicht so leicht, der Empfehlung Jürgen von Kempskis zu folgen und einmal „Narr auf eigene Faust ohne Platon" (18) zu sein.   
    II.  
    Philosophieren, so haben wir gesehen, erweist sich im Ausgang von der Metapher der Philosophie als Königin als die königliche Kunst, selbstdenkend die Aporie zu anerkennen, in die uns unser Selbstdenken führt. So betrachtet setzt Philosophieren aber immer Positionen voraus, auf die es sich beziehen, die es kritisieren oder, wie der terminius technicus heute heißt, ‘dekonstruieren’ kann. Philosophieren ist mithin immer parasitär und setzt die Seinsgeltung dessen stets voraus, was es dekonstruiert. Es mag daher erlaubt sein, dieses Verhältnis als eine Art von wechselseitiger parasitärer Dialektik zu konstruieren, in der die Königin oder Herrin, wie Platon in der Politeia auch sagt, ihre Wahrheit in dem anderen ihrer selbst findet, in ihrer Funktion als Magd bzw. als Knecht. Die Philosophie als Königin der Wissenschaften, die sich der königlichen Gunst des Anerkennens aporetischen Denkens durch Selbstdenken bedient, ist so in Wahrheit Dienerin der Wissenschaften. Als Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie als Logik und Methodologie ist sie dies explizit, und man geht wohl kaum zu weit, wenn man die gegenwärtige hohe Konjunktur der Philosophie, die sich an der intensiven Nachfrage nach ihr ablesen läßt, auf ihre Magdfunktion oder, wie das heute heißt, auf ihre Dienstleistungsfunktion bezieht. Wenn die Philosophie heute noch in irgend einem Sinne Königin der Wissenschaften ist, dann in dem Sinne, in dem Dienstleistungen heute generell zum Herrschaftsakt werden. Wer daran zweifelt, der möge einmal versuchen, sich den Unwillen des Kellners oder der Zugehfrau zuzuziehen, auf den/die er angewiesen ist! Zwar gilt am Markt einerseits ‘Der Kunde ist König’, aber wer würde leugnen, daß es sich hierbei um ein Verhältnis gegenseitigen Aufeinanderangewiesenseins han-delt! Der Kunde braucht den Verkäufer oder den Dienstleister ebenso wie dieser ihn, und Hegel hat gezeigt, wie dieses Aufeinanderangewiesensein von Herr und Knecht durch einen Kampf auf Leben und Tod als Kampf um Anerkennung zu einer immer wieder neuen Überwindung seiner selbst im Prozeß gegenseitiger Anerkennung führen kann. (19)  

    Die Geschichte der Philosophie ist reich an Domestizierungsversuchen des Philosophierens durch andere Kräfte, besser: an Beispielen des Scheiterns solcher Versuche. Das in dieser Hinsicht wohl populärste Beispiel ist die Formel des 1057 zum Kardinalbischof von Ostia geweihten Scholastikers Petrus Damiani, die Philosophie - und das bedeutete damals die machtvoll ihr Haupt erhebende, argumentative Dialektik - habe sich in Glaubensdingen der Theologie „wie eine Magd ihrer Herrin" zu unterwerfen und ihr willig zu dienen: „Sed velut ancilla dominae quodam fa-mulatus obsequio subservire" (20). Daß sich die Dialektik von Herr und Knecht als Dialektik von Herrin und Magd hier alsbald so entwickeln könnte, daß die Magd zur Herrin und jene zu dieser werde, hatte Thomas von Aquin zwar nicht vorausgesehen, aber mit seiner Überlegung, die philosophische Dialektik könne immerhin die „praeambulas fidei" als gleichsam transzendentale Voraussetzungen des Glaubens klären, de facto zu verhindern versucht; und zwar mit gutem Erfolg: Bis in die Neuzeit hinein hat sich die Vorstellung gehalten, die philosophische Fakultät diene der allgemeinen Ausbildungsdienstleistung, auf die die theologische Fakultät dann aufbaue. Noch Immanuel Kant bezieht sich auf diese Struktur, deutet aber bereits die Umkehrung der Verhältnisse an: „Auch kann man allenfalls der theologischen Facultät den stolzen An-spruch, daß die philosophische ihre Magd sei, einräumen (wobei doch noch immer die Frage bleibt: ob diese ihrer gnädigen Frau d i e F a c k e l v o r t r ä g t oder d i e S c h l e p p e n a c h t r ä g t ); wenn man sie nur nicht verjagt oder ihr den Mund zubindet; denn eben diese Anspruchslosigkeit, blos frei zu sein, aber auch frei zu lassen, blos die Wahrheit, zum Vortheil jeder Wissenschaft, auszumitteln und sie zum beliebigen Gebrauch der oberen Facultäten hinzustellen, muß sie der Regierung selbst als unverdächtig, ja als unentbehrlich empfehlen." (21)  

    Magd zu sein und Dienstleistungen zu erbringen - darin besteht offenbar nicht eine Schwäche, sondern eine Stärke des Philosophierens. Unter den Bedingungen der Säkularisierung wird aus der leibeigenen Funktion allerdings die eines selbständigen Dienstleistungsanbieters. Aus der vermeintlichen „Magd der Theologie" wird die ebenso vermeintliche „Königin der Wissenschaften", von der ich vorhin sprach.   

    Daraus nun läßt sich lernen, daß Philosophie, deren Wahrheit als königliche Kunst darin bestand, den aporetischen Gedanken ihres eigenen Selbstdenkens durch eben dieses Selbstdenken zu aner-kennen, diese königliche Leistung als Dienstleistung anderen gegenüber verrichtet. Im Klartext: Philosophie als Selbstdenken ist nicht nur parasitär, sondern zugleich transdisziplinär. Sie hat nicht nur das Recht, sondern die sich aus ihrer Magdrolle ergebende Pflicht, sich in den Dienst anderer Formen des Denkens und Handelns zu stellen. Wer davor zurückscheut, ist kein Philosoph und keine Philosophie, soviel philosophische Meinungen er oder sie sonst auch kennen mögen ...  

    Erneut ist uns die Präparierung der Vorstellung, Philosophie sei konstitutiv Dienstleistung, nur parasitär und aufgrund der Bezugnahme auf die Überlegungen anderer gelungen. Allerdings kann dies nach dem zuvor Entwickelten nun kein Einwand mehr sein: Wenn Philosophieren in der Anerkennung der durch Philosophieren selbst hervorgebrachten aporetischen Situationen besteht, dann befindet sich ein solches Verfahren nicht nur nicht im Widerspruch zur Bestimmung der Philosophie, sondern bestätigt diese sogar.   
    III.   
    Man könnte versucht sein, den sich zwischen der Beziehung auf andere Positionen und dem Selbstdenken zeigenden Zirkel als vitiösen Zirkel zu verstehen und daher vermeiden zu wollen. In Tat und Wahrheit handelt es sich allerdings dabei gar nicht um einen vitiösen Zirkel, sondern um eine reziproke Angewiesenheit, die sich nach dem Muster des „Arzt-Rechtsanwalt-Zirkels" logisch zirkelfrei bestimmen läßt: Wenn ein Arzt und ein Rechtsanwalt gegenseitig ihre Dienste in Anspruch nehmen, gilt, daß der Arzt Klient seines Patienten und der Rechtsanwalt Patient sei-nes Klienten ist. Das klingt zwar etwas kompliziert, bewirkt jedoch keine logische Unverträg-lichkeit, am allerwenigsten einen Zirkel.   

    Trotzdem aber geht die Rechnung hier nicht so leicht auf: Am Horizont dräut gleichsam die ‘andere Magd’. Ich meine die thrakische Magd, von der Platon seinen Sokrates im Dialog Theaitetos berichten läßt, um zu illustrieren, daß der wahre Philosoph nach Pindaros überall umherstreife, „was auf der Erde und was in ihren Tiefen ist messend, und am Himmel die Sterne verteilend, und überall jegliche Natur alles dessen was ist im Ganzen erforschend, zu nichts aber von dem, was in der Nähe ist, sich herablassend" (22). Dem Kenner wird auffallen, daß dies die Formeln sind, die die Anklage im Prozeß gegen Sokrates vorbrachte. Im Theaitetos indessen erläutert Sokrates diese Formel folgendermaßen: „Wie auch den Thales [...], als er, um die Sterne zu beschauen, den Blick nach oben gerichtet in den Brunnen fiel, eine artige und witzige thraki-sche Magd soll verspottet haben, daß er, was im Himmel wäre, wohl strebte zu erfahren, was aber vor ihm läge und zu seinen Füßen, ihm unbekannt bliebe. Mit diesem nämlichen Spotte nun reichte man noch immer aus gegen Alle, welche in der Philosophie leben." (23)  

    Fast alles stimmt hier - die dramatis personae, die Rollenverteilung und die Vorurteile; nur eins stimmt nicht: die Rolle der Magd. Denn offensichtlich repräsentiert sie weder die Philosophie als Magd noch die Philosophie als Königin. Vielmehr scheint es so zu sein, daß sie die Stimme des Volkes, die ‘communis opinio’ oder den ‘common sense’ verkörpert, jenen gesunden Menschenverstand nämlich, der über die Weltfremdheit der Philosophie nur spotten kann. Allerdings liegt diese Deutung durch den platonischen Überlieferungskontext so sehr auf der Hand, daß sich schon deswegen Mißtrauen regen muß. Vielleicht ist hier eine andere Interpretation angebracht: Muß nicht Philosophie sich den Anforderungen des gesunden Menschenverstandes stellen? Muß nicht das Gelächter der thrakischen Magd sie aufschrecken und ihr ihren neuen Platz zuweisen? Ist nicht der Autor unseres eingangs erwähnten SPIEGEL-Artikels, der der Philosophie erneut die Leviten gelesen hat, unsere heutige thrakische Magd? Und verspotten sie und er nicht zu Recht die versponnene, weltfremde Art der Philosophen einst und jetzt?   

    Die philosophiehistorisch Kundigen indessen werden mit dieser Interpretation kaum zufrieden sein, paßt sie doch ganz und gar nicht mit dem zusammen, was wir sonst so über Thales von Milet wissen. Keineswegs ein ‘Hans-guck-in-die-Luft’, scheint er vielmehr ein sowohl politisch als auch wissenschaftlich und nicht zuletzt lebensweltlich kluger, gewiefter und pragmatischer Denker gewesen zu sein. Stellt man dies in Rechnung, wandelt sich die Deutung der Platon-Stelle erneut. Wie soll denn das zugegangen sein, daß Thales, den Himmel beobachtend, in den Brunnen gefallen ist? Was genau hat er und wie beobachtet? Um die Sonne kann es sich kaum gehandelt haben, da diese sich mit unbewaffnetem Auge nur schwer beobachten läßt. Von geschwärzten Gläsern (oder gar Designer-Sonnenbrillen) berichtet Platon aber hier ebenso wenig etwas wie im Höhlengleichnis. Also beobachtet Thales wohl die Sterne oder den Mond. Was also wäre, wenn die Geschichte ganz anders zu deuten wäre: daß nämlich die thrakische Magd alles mißverstanden und Thales zu Unrecht ausgelacht hätte. Dieser wäre dann nämlich gar nicht in den Brunnen gefallen, sondern er wäre in den Brunnen hinabgestiegen, gerade um die Gestirne besser beobachten zu können, da die Brunnenöffnung für den in dem Brunnen sich Befindenden wie eine Art Fernrohr und Filter zugleich wirkte. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, und es wäre in diesem Falle nicht der ‘common sense’.  

    Was lehrt uns die Geschichte von der thrakischen Magd und den verschiedenen Interpretationen, die die Rolle der Philosophie jeweils neu beleuchten? Gewiß eines: daß es ebenso wenig angeht, das Philosophieren nur als eine Verlängerung des ‘common sense’ mit anderen Mitteln zu verstehen, wie umgekehrt, das Philosophieren gänzlich vom ‘common sense’ abzukoppeln. Philosophische Spekulation stellt häufig, vom gesunden Menschenverstand ausgehend, durch methodische Weiterentwicklung des eigenen Gedankens diesen vor ihm fremdartig und unlösbar scheinende Probleme, sie konfrontiert ihn mit einer „verkehrten Welt". Um es erneut mit Hegel zu sagen: „Die Spekulation versteht deswegen den gesunden Menschenverstand wohl, aber der gesunde Menschenverstand nicht das Tun der Spekulation." (24) Die thrakische Magd hat zwar mit ihrem Spott über die Philosophie häufig Unrecht, aber sie ist grundsätzlich im Recht, wenn sie von dieser verlangt, sie dürfe nicht in abgehobenen Sphären verweilen, sondern sie müsse sich der natürlichen Vernunft erklären und diese auf ihr eigenes Niveau heben können.  
    IV.  
    Und so hat sich denn, in gleichsam unmerklicher Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition herausgestellt, daß philosophisches Denken heute - wie übrigens immer schon - sowohl Königin als auch Magd, und letzteres wieder im doppelten Sinne der Dienstleistung und der thrakischen Magd ist. Und wir sehen zugleich, daß sich hinter diesen allgemeinen formalen Bestimmungen eine Vielzahl von konkreten Formen verbirgt, die „königliche Kunst" in den Dienst des Bedenkens der jeweiligen Gegenwart zu stellen.  

    Philosophie hat aber - und das ist in all den Debatten um ihre bestsellerfähige Vermarktung eher untergegangen - sich zwischen Skylla und Charybdis der Philodoxie und der Kosmosophie hindurch ihre eigene Identität zu wahren. Philodoxie besteht, wie wir von Platon lernen können, in dem akkumulierenden Sammeln von Meinungen anderer, das dann erst die Ausbeutung erlaubt, von der Lichtenberg sprach. Kosmosophie dagegen ist die bloße Weltweisheit, nicht Philosophie für die Welt, sondern Sofies Welt. Während sich in der Philodoxie das Philein, die Liebe und Sehnsucht, nicht auf die Weisheit, sondern auf die bloßen Meinungen richtet, hat die Kosmosophie die liebende Zuwendung vergessen. Philosophie, ob Königin oder Magd, ist damit selbst, wie Norbert Hinske formuliert hat, die Geliebte mit den vielen Gesichtern (25). Und darin steckt erneut ein Zweifaches:  

    1. Nie vergessen werden darf, daß Philosophie etwas mit Liebe zu tun hat, d.h. mit einer Sehnsucht, die sich durch platte Worte nicht befriedigen läßt. Wer keine Sehnsucht danach verspürt, mehr zu wissen, und das heißt immer: mehr zu denken und mehr zu fragen als das, was auf der Hand liegt, sollte nicht Philosophie betreiben. Wenn Platon und ihm folgend Schelling davon sprechen, zum Philosophieren müsse man geboren sein, dann ist damit nichts anderes gemeint als dies: wen philosophische Fragen nicht umtreiben, wen die „Metaphysik als Naturanlage" (26) nicht ständig beunruhigt, der kann durch keine Kunst, durch keine Seminardidaktik oder Vorlesungsrhetorik (und sei es auch diejenige einer Abschiedsvorlesung) dazu gebracht werden zu philosophieren.  

    2. Diese Geliebte hat aber viele Gesichter. Und damit ist nicht nur gemeint, was ebenfalls schon Hegel wußte: daß jede Philosophie ihre eigene Zeit in Gedanken erfaßt, sondern darüberhinaus auch, daß das Philosophieren, das uns Zukunftaufgabe ist, in einer pluralistischen Gesellschaft eben gerade das Bedenken von Vielheit ist.  

    Es geht also darum, unsere eigene Zeit, die ich als das ‘technologische Zeitalter’ (27) zu bezeichnen und zu analysieren pflege, als konstitutiv pluralistische Zeit verstehen zu lernen.  

    Vor acht Jahren, als ich nach Bamberg kam, habe ich eine einfache Komplementaritätsthese vor dem Hintergrund dessen vertreten, was ich das „antiplatonische Experiment" (28) nannte. Unsere Tradition ist, was ihre geistigen Gehalte und die Grundstellung des Gedankens trifft, nämlich - allen aristotelischen Veränderungen zum Trotz - durch und durch platonisch. Die metaphysische Grundrelation von Einheit und Vielheit, die unser Denken bis ins 20. Jahrhundert hinein bestimmt, ist durch Platon (oder jedenfalls durch seine Wirkungsgeschichte) vorgegeben: Einheit ist der idealen, Vielheit der phänomenalen Welt zuzuordnen, wobei die ideale Welt positiv, die phänomenale negativ konnotiert ist. Im Wettstreit der Einheit mit der Vielheit, der zugleich ein Wettstreit der immerwährenden Ruhe des Parmenides mit der ebenfalls immerwährenden Bewegung des Heraklit ist, entscheidet Platon gleichsam auf hauchdünnen Punktesieg der Einheit und der Ruhe. Was wir gegenwärtig unternehmen, ist insofern ein „antiplatonisches Experiment", als wir eine zweieinhalb Jahrtausende alte Tradition dadurch zu beenden versuchen, daß wir eine technologische, weltweite Vereinheitlichung der Phänomene mit einem Sprung in die Vielheit der idealen Welt zu beantworten beginnen. Wie sich das im einzelnen kognitiv und normativ ausnimmt, wie die Erkenntnistheorie des Pluralismus und seine Ethik aussehen wird, ist eine Frage, die die Philosophie der Zukunft zu klären haben wird; sicher ist jedenfalls, daß der platonische Denkgestus von uns probehalber (daher ‘Experiment’) verabschiedet wird.  

    Vor acht Jahren habe ich außerdem noch eine relativ einfache Komplementaritätsthese vertreten, derzufolge das, was in phänomenologischer Hinsicht ‘technologisches Zeitalter’ genannt wird, in ideell-kultureller Hinsicht ‘Postmoderne’ heiße. Unterdessen bin ich eines besseren belehrt: Was ‘Postmoderne’ genannt wurde, war eine der kulturphilosophisch einseitigen Verabsolutierungen eben jenes kulturellen Pluralismus, den es nun reflexiv philosophisch zu erfassen gilt und dessen realmonistisches Gegenstück die technologische Zivilisation mit all ihren Verwerfungen und Problemen ist. Mit anderen Worten: Postmodernes Theoretisieren pflegte sich mit der Vielheit so zu befassen, als ob sie selbst ein Wert sei, den es zu erhalten, zu mehren, ja: vielleicht erst zu erringen gelte. Was wir zu erfassen haben, ist dagegen ein reflektierter Pluralismus zweiter Stufe, der nicht die bloß kontingente Vielheit, sondern den Pluralismus erster Stufe als Wert ansieht. Seine Norm heißt: Alles soll der Maxime genügen, daß Pluralismus, also eine Grundhaltung existieren möge, die ihrerseits zwar Vielheit ermöglicht, aber nicht in Vielheit aufgeht!   
    V.   
    Und so komme ich denn zum Schluß. Worin liegt denn nun die Zukunft der Philosophie? Nachdem eingangs über Zeit und Zukunft Ausgeführten bedeutet diese Frage, sich danach zu fragen, was Philosophie gegenwärtig sein soll. Und da haben sich bereits einige Bestimmungsstücke angesammelt: Philosophie soll, anknüpfend an das natürliche Bewußtsein, der königlichen Kunst nachgehen, sich dienstleistend anderen Disziplinen und Denkformen gegenüber zu verhalten und somit den Bezug auf ein unterstelltes Ganzes von Denken, Handeln und Kultur stets im Auge zu behalten. Dies alles hat sie aber unter Bedingungen einer pluralistischen und zugleich technologischen Zivilisation zu tun, deren Sinn aufzuhellen ebenfalls ihre Aufgabe ist.   

    Kann das die akademische Philosophie leisten? - Wenn man sie sich gegenwärtig betrachtet, wohl kaum. Aufgesplittert ist sie in verschiedene, sich als Philosophie mißverstehende Methoden: die Analytiker, die Dialektiker, die Dekonstruktivisten, die Hermeneutiker, die Transzendentalphilosophen, und wie sie alle heißen mögen. Den Analytikern, die im Ausgang von der richtigen Einsicht, daß durch schmutzige Brillen nicht scharf zu sehen ist, das Brillenputzen zu ihrem Geschäft erklärt und dabei vergessen haben, daß sie ursprünglich durch die geputzten Brillen etwas sehen wollten, kann jedenfalls die Lösung dieser Aufgaben nicht zugetraut werden. Die Dialektiker, derzeit etwas auf dem Rückzug, haben immer schon eher zuviel als zuwenig erklärt und sind dadurch zum Teil unglaubwürdig geworden. Die Dekonstruktivisten sind in ihrem parasitären Geschäft darauf angewiesen, daß andere Philosophien als Wirte fungieren; den Hermeneutikern fehlt die kritische, den kritischen Theoretikern die systematische Kompetenz, und den Transzendentalphilosophen fehlt es an Realphilosophie.   

    Das einzige, was in Anbetracht der geschilderten Aufgaben der Philosophie zukunftsfähig zu sein scheint, ist die Rehabilitierung einer alten Tugend, die in der nachhegelschen Moderne in Vergessenheit, ja: geradezu in Verruf geraten ist. Ich meine den Eklektizismus. Nachdem die läppische Postmoderne als Episode durchschaut und zu Ende gegangen ist, läßt sich ihr pluralistischer und eklektischer Kern dadurch retten, daß nicht die Zugehörigkeit zu einer Methode oder das Bekenntnis zu einer Sorte von System bzw. zu einem Denker zum Schibboleth gewichtigen Philosophierens gemacht wird. Alles zu prüfen und das Gute zu behalten, ist eine nicht nur für die Bibel taugliche Empfehlung. Es ist vielmehr die Maxime der Aufklärung selbst, zu der wir uns nun, nachdem die Phase der Aufklärungsschelte vorübergezogen ist, wieder bekennen dürfen. Noch der Artikel Eclectisme in der Encyclopédie ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers (29) von Diderot und D’Alembert preist den Eklektizismus, und das ganze 18. Jahrhundert ist des Lobes voll für diejenigen, die sich nicht durch Schulzugehörigkeit oder durch Hörigkeit das Selbstdenken verbieten lassen. Die Philosophie der Zukunft bleibt ihrer großen alten Tradition treu, indem sie nach dem Intermezzo des 19. und 20. Jahrhunderts vom Originalitätswahn Abschied nimmt. Das offene Bekenntnis zu einem Pluralismus im Sinne des methodischen Eklektizismus befreit unseren Blick auf die Geschichte für die Einsicht, daß es keine große und tiefe Philosophie gibt, die nicht eklektisch gewesen wäre. Noch im 18. Jahrundert war die Einsicht ‘communis opinio’, daß das Große an Leibniz in seinem Eklektizismus bestanden habe.   

    Der eklektischen Philosophie eines aufklärerischen Pluralismus ist kein Thema fremd. Sie kann sich den Grundfragen der Philosophie ebenso zuwenden wie denjenigen der Einzelwissenschaften, denen gegenüber sie dienstleistungsverpflichtet ist. Und sie kann damit auch den vielfältigen Aufgaben gerecht werden, die von außen an sie herangetragen werden. Sie ist die Philosophie der Zukunft.   

    Es ziemt sich, als Scheidender den Bleibenden zu danken und ihnen gute Wünsche zu hinterlassen. Der Otto-Friedrich-Universität, der Stadt Bamberg sowie allen, die weder zur einen noch zur anderen gehören, aber heute trotzdem hier sind, danke ich für acht Jahre eines intensiven und erfüllten gemeinsamen Philosophierens. Einige werden sich fragen, warum ich Bamberg verlasse, bevor ich das von mir selbst benannte Ziel, an der Errichtung eines „Regnitz-Princetons" mitzu-wirken, erreicht habe. Nun, zum einen - und auch dafür danke ich Ihnen - ist es in gewissem Sinne erreicht: Die Bamberger Philosophie ist zwar nicht in aller Munde, aber zumindest ab und zu im SPIEGEL. Zum anderen ist nicht alles, was man vorhat, in einem Leben und an einem Orte zu erreichen. Insofern bleibt, wenn denn das „Regnitz-Princeton" noch auf sich warten läßt, nur die Alternative, dorthin zu gehen, wo es Vergleichbares schon lange gibt: Statt „Regnitz-Princeton" auf dem Dach Lahn-Marburg in der Hand.   

    Was die guten Wünsche betrifft, hat mich Schaden klug gemacht. Bei meinem Abschied aus Braunschweig vor acht Jahren habe ich der niedersächsischen Wissenschaftspolitik mehr Glück als Verstand gewünscht. Heute will ich mich darauf beschränken, nicht nur der bayerischen Wissenschaftspolitik, sondern insbesondere der Kulturpolitik der Stadt Bamberg zu wünschen, daß es sich eines Tages nicht nur finanziell, sondern auch kulturell gelohnt haben wird, die Kopie der Villa Massimo dem philosophischen Original-Kulturinstitut vorgezogen zu haben!  

    *****

    Anmerkungen:  

    1 SPIEGEL Heft 29/1993. S. 124 ff. (back)  
    2 FOCUS Heft 38/1993. S. 106f. (back)  
    3 SPIEGEL Heft 26/1996, 176 ff. (back)  
    4 Roland Simon-Schaefer: Kleine Philosophie für Berenike. Stuttgart, 1996. (back)  
    5 Jostein Gaarder: Sofies Welt. München, 1993. (back)  
    6 G.W.F. Hegel: Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie. In: Werke in 20 Bdn. Bd. 2. Frankfurt a.M., 1986. S. 20ff. (back)  
    7 G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. In: Werke in 20 Bdn. Bd. 3. Frankfurt a.M., 1986. S. 56. (back)  
    8 Walther Ch. Zimmerli: Die Frage nach der Philosophie. Interpretationen zu Hegels ‘Differenzschrift’. Bonn, 21984. (Hegelstudien Beiheft 12) (back)  
    9 Vgl. Theodor W. Adorno: Wozu noch Philosophie? In: Gesammelte Schriften. Bd. 10.2: Kulturkritik und Gesellschaft II. Frankfurt a.M., 1977. S. 459-473; Herrmann Lübbe: Wozu Philosophie? Stellungnahmen eines Arbeitskreises. Berlin, New York, 1978. (back)  
    10 Norbert Hinske: Die Geliebte mit den vielen Gesichtern. In: Herrmann Lübbe: Wozu Philosophie? A.a.O. S. 213-343. (back)  
    11 Vgl. Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Bd.2: Sudelbücher. Materialhefte. Tagebücher. Hg. v. Wolfgang Promies. München, 1971. K 246 (back).  
    12 Vgl. Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was heißt Aufklärung? In: Kants gesam-melte Schriften. Hg.v. der Königlich Preußischen Akadamie der Wissenschaften. Bd.7. (back)  
    13 Platon: Euthydemos. In: Sämtliche Werke in zehn Bänden. Nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, ergänzt durch Übersetzungen von Franz Susemihl und anderen. Hg. v. Karl-heinz Hülzer. Bd. III. Frankfurt a.M., Leipzig, 1991. Hier: 291 b. (back)  
    14 Platon: Politeia. In: Sämtliche Werke in zehn Bänden. A.a.O. Bd. V. Hier 470ff. (back)  
    15 Euthydemos, 291. (back)  
    16 Politeia, 473c ff.. (back)  
    17 Euthydemos 308 b f. (back)  
    18 Jürgen von Kempski: Brechungen. Kritische Versuche zur Philosophie der Gegenwart. Frankfurt a.M., 11992. S. 449. (back)  
    19 Vgl. u.a. G.W.F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. A.a.O. S. 145 ff. (back)  
    20 Petrus Damiani: De omnipotentia divina. C. 6. Florenz, 1943. S. 76. (back)  
    21 Immanuel Kant: Streit der Fakultäten. In: Kants gesammelte Schriften. Hg.v. der Königlich Preußischen Akadamie der Wissenschaften. Bd.7. Berlin, 1917. S. 28. (back)  
    22 Platon: Theaitetos. In: Sämtliche Werke in zehn Bänden. A.a.O. Bd. VI. 173 e f.(back)  
    23 Theaitetos, 174 a f.. Vgl. hierzu und im folgenden Hans Blumenberg: Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie. Frankfurt a.M., 1987. (back)  
    24 G.W.F. Hegel: Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie. In: Werke in 20 Bdn. Bd. 2. Frankfurt a.M., 1986. S. 31. (back)  
    25 vgl. Anm. 10. (back)  
    26 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. In: Kants gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 7. Berlin, 1911. S. 41 (B 22). (back)  
    27 Vgl. Walther Ch. Zimmerli (Hg.): Technologisches Zeitalter oder Postmoderne? München, 21991. (back)  
    28 Ebd. S. 13-35. (back)  
    29 Denis Diderot, Jean le Rond D’Alembert: Encyclopédie ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers. Nouvelle impression en facsimilé de la première édition de 1751-1780. Vol. 5. Stuttgart-Bad Cannstatt, 1966. S. 270-294. (back)